Univ.-Prof. DDr. Johannes Huber, Kardinal-Opilio-Rossi-Medaillenträger:“ Es gibt viele gute Gründe stolz darauf zu sein, ein Christ zu sein.“:
Dankesworte Prof. DDr. Johannes Huber (Transkipt)
1. Vor einigen Monaten war ich mit Prof. Beck im Heiligen Land, wo ein deutscher Archäologe einen 15 Meter tiefen Schacht gegraben hatte, der tatsächlich die Felsformation von Golgatha sein könnte – ein Steinbruch, dessen Steine zu weich waren, sodass er aufgelassen wurde und zur Hinrichtungsstätte wurde.
Mt 21,42: Jesus sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen in der Schrift (Ps 118,22–23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«?
Vor allem bekamen wir Anschauungsunterricht, dass den beiden anderen abrahamitischen Religionen eines fehlt: die Bergpredigt, das Hinhalten der anderen Wange
Dieser weltgeschichtlich unikate Verzicht auf das „Aug um Aug und Zahn um Zahn“-Prinzip wurde intellektuell ergänzt durch eine zwei Jahrtausende lange Reflexion über die großen Fragen nach Immanuel Kant:
Was können wir erkennen?
Was darf ich hoffen?
Was soll ich tun?
Was ist der Mensch?
Das Christentum ist die reflektorisch intensivste Religionsmacht der Welt – und man darf stolz sein, ein Christ zu sein wenngleich der Exilgedanke (Woher komme ich? Wohin gehe ich?) in Sozialarbeit, Solidarität und Caritas umcodiert wurde.
Als Christ nimmt man auch noch – im übertragenen Sinn – am römischen Bürgerecht teil: Aurelius Augustinus wurde noch als Römer geboren und ist eigentlich als Staatenloser gestorben und musste noch zu Lebzeiten mitansehen, wie die Stabilität eines Weltreiches zerbrach.
In einer unglaublichen synkretistischen Kulturleistung entwarf er das Bild einer neuen Staatengemeinschaft – De civitate Dei – das eigentlich unser heutiges Europa schon vorwegnahm – in das römisches Rechtsempfinden durch die Christen transportiert wurden, das uns bis in die Jetztzeit prägt.
2. Und auch ein anderer großer Christ stand an der Entstehung Europas Pate – Benedikt von Nursia - der die Trümmer der Völkerwanderung aufräumte und ein edukatives, hospitales, aber auch ein ökonomisches und agrartechnisches Konzept entwickelte, das mit seinem Klöstern den Wiederaufbau Europas möglich machte und den ersten Bevölkerungszuwachs nach dem Furore der Völkerwanderung möglich machte.
Auch deswegen kann man heute mit Stolz behaupten, Christ zu sein.
3. Für den Gynäkologen besonders bemerkenswert, aber weitgehend unbekannt, ist die historische Errungenschaft des Christentums im 11. Jahrhundert, eine eheliche Sicherheit für alle Menschen ermöglicht zu haben – auch für Unfreie und Hörige, wie es Simon Teuscher untersucht hat.
Während vorher in den nicht vermögenden Schichten eine völlig ungeregelte, auch rechtlich nicht definierte Paarbeziehung meist auf Kosten der Frau vorherrschte, wurde dies durch christliche Konzeption vereinheitlicht, zum Sakrament erhoben – was vor allem den Frauen so eine Schutzfunktion ermöglicht (Zweites Laterankonzil 1139) auch in Anlehnung an das Römische Recht – eine andere Art einer Ehe für alle, auch für die sozial schwachen Schichten, wobei dieser Begriff heute anders gedeutet wird.
Diese Umdeutung könnte aber auch kommentiert werden, denn:
Wenn die Konzeptionisten der neuen Gesellschaft, in der alles erlaubt sein soll, was Spaß macht und in der die Vorgaben der Evolution ausgeblendet werden – gleichzeitig aber immer wieder von Menschenrechten, Fortschritt, Freiheit und Verfassung reden, dann beweist das nur, dass sie Rhetorikunterricht absolvierten, in dem übersehen wurde, dass auch die Natur eine Verfassung hat.
4. Aber auch die Aufklärung ist nicht vom Himmel gefallen: sosehr das immer behauptet wird, sondern fußt auf christlicher Tradition. Denn es war die Kirche, die Universitäten als akademische Lehr- und Forschungsräume etablierten und damit trotz gelegentlichen Widerständen eine Naturphilosophie förderte, aus der die moderne Naturwissenschaft entstand.
Der Oxforder Historiker Larry Siedentop sagt mit Recht, das Christentum hat »das Individuum erfunden«: Nämlich durch die zur Antike konträre Idee, dass alle Menschen gleich seien, nämlich vor Gott, und als Individuen selbst verantwortlich seien für ihr Heil – darauf basiert die spätere Kultur der Freiheitsrechte des Individuums.
Dass trotz allem die Forderung nach einem Gottesbezug in der Präambel der europäischen Verfassung von Frankreich abgeschmettert wurde, obwohl zahlreiche Länder das wünschten, ist ein gutes Beispiel, dass in der Europäischen Gemeinschaft sehr wohl majorisiert wird und möglicherweise im Hintergrund Konzeptionisten arbeiten, die nicht unsere Freunde sind.
Es gibt auch stille Attentate, die religiös Unmusikalischen vorbereiten.
Wenn in Sri Lanka Christen bei dem Ostergottesdienst brutal getötet wurden und das Ehepaar Clinton es nicht übers Herz bringt, von Christen zu reden, sondern von „Osteranbeter“.
Oder wenn David Precht immer wieder verkündet, man möge nicht vom christlichen Abendland sprechen, sondern von „aufgeklärten Abendland“ und – trotz seiner Intellektualität den Geschichtsatheisten hervorkehrt.
Oder wenn in der Pädophilie-Debatte der Europäische Kulturwandel, der selbst in Wien um 1900 und auch in den 68ern noch nicht vorhanden war, verschwiegen wurde, ebenso wie die klinischen Aspekte dieses Problems, die vieles anders ausgewiesen hätten und die sicher berechtigten Wiedergutmachungsversuche und auch die berechtigten Schuldbekenntnisse der Kirche, nur um ihr noch eine Ohrfeige nach der anderen zu verabreichen.
Oder man betrachte die Christenverfolgungen:
Das Christentum ist die weltweit am stärksten unterdrückte Religionsgemeinschaft. Das christliche Hilfswerk „Open Doors“ gibt an, dass weltweit etwa 200 Millionen Christen in etwa 60 Ländern wegen ihres Glaubens von Misshandlungen, Folter, Vergewaltigung, Gefängnis oder Tod bedroht seien beziehungsweise wegen ihres Glaubens benachteiligt und diskriminiert würden. Ein vom britischen Außenminister Jeremy Hunt in Auftrag gegebene Bericht über die Verfolgung von Christen kam jetzt im Mai 2019 zum Ergebnis, dass die Christenverfolgung in manchen Weltgegenden Genozid-artige Ausmaße angenommen hat und Christen die weltweit am meisten verfolgte Religionsgruppe sind.
Hier wären die christlichen Laien gefordert – und wenn man klug wie die Schlange wäre, müsste man das social media stärker in unseren Dienst stellen, wo sich eigentlich jeder zu Wort melden könnte, sodass David Brecht eigentlich nicht mehr auf die Idee kommen könnte, Christen gebe es ohnedies nicht mehr.
Kürzlich fragte Mathias Krepe in der „Zeit“ anlässlich der Fallenstellung und des Lockvogels auf einer spanischen Insel, worin eigentlich noch die Lebenszeichen des Konservativismus und auch des Christlichen bestünden?
Gerade im Hinblick auf diesen Event könnte man – von vielen anderen Beispielen und Antworten abgesehen – eines hervorholen: der Zweck heiligt nicht die Mittel – eine Auffassung, die letztendlich Lenin um des sozialistischen Ideals willen aufgab, Millionen gemordeter Menschen das Leben kostete und sich dann in furchtbarster Weise im Dritten Reich fortsetzte.
Begonnen hatte das bereits in der Französischen Revolution, in der die Guillotine zum Instrument politischer Eugenik wurde und Robespierre meinte: „Der Guillotinekorb ist gewissermaßen die Urne, in der – ex negativo – die Stimmen für den Gemeinwillen gesammelt werden.
Wie das die linke Geistigkeit weiter beherrschte, kann man bei Arthur Köstler „Die Sonnenfinsternis“ nachlesen. Aber auch bei Georg Lukacs, ja selbst bei Thomas Mann, der in „Leo Naphtha“ pars pro toto beschreibt, wie ein Irrlicht den Mord propagiert, um seiner Idee zum Durchbruch zu verhelfen.
Der christliche Gedanke, dass der Zweck nicht das Mittel heiligt, ist – pars pro toto – einer der Beiträge, die Christen den Linken, aber auch den islamischen Fundis ins Stammbuch schreiben könnten.
Als christliche Laien sollten wir aber auch an der Weiterentwicklung einer bidirektionalen Offenbarung mitarbeiten.
Nicht Gott allein ist der Offenbarung Schöpfende, auch der Natur und dem Menschen sind schaffende Qualitäten eigen.
Was immer den Subjekten bekannt gemacht wird, es kann nie ohne deren Eigenbeitrag gemacht werden.
Durch diese Wendung zum Subjektiven ist Offenbarung nicht nur eine singuläre Verlautbarung des Absenders, sondern auch eine Einbindung des Adressaten – und das sind wir Laien.