Orbán inszeniert sich als Beschützer der Christen

Viktor Orbán.
Viktor Orbán.(c) imago/ZUMA Press (Hristo Rusev)
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Seit Längerem beschäftigt sich ein Vizestaatssekretär mit dem Schutz verfolgter Christen. Nun soll aus der Initiative eine mitteleuropäische Kooperation der Visegrád-Staaten werden – mit Beteiligung Österreichs.

Budapest. Als einziges Land hat Ungarn seit anderthalb Jahren einen Kabinettsposten „zum Schutz verfolgter Christen“ in aller Welt. Es begann bescheiden: ein stellvertretender Staatssekretär und ein paar Millionen Euro. Bald aber soll die Strategie mehr Gewicht bekommen, in Gestalt einer Kooperation der Visegrád-Länder. Das erfuhr „Die Presse“ aus Budapester Regierungskreisen.

Das Konzept: Zerstörte Schulen, Krankenhäuser und Kirchen im Nahen Osten wieder aufbauen – und viel darüber reden. Der finanzielle Rahmen ist bescheiden, aber für rund zehn Millionen Euro ist es 2017 doch gelungen, unter dem Titel „Hungary helps“ („Ungarn hilft“) Projekte auf die Beine zu stellen – vom Bau einer Schule im kurdisch-irakischen Erbil bis zur Renovierung von 18 Kirchen im Libanon. 2018 soll Hilfe für christliche Opfer der Islamistenmiliz Boko Haram in Nigeria ein neuer Schwerpunkt werden.

Fast im Monatstakt lädt die ungarische Regierung Kirchenobere aus diesen Ländern nach Budapest. Gerade wurde Jean-Clement Jeanbart, Erzbischof der melkitischen griechisch-orthodoxen Gemeinde von Aleppo, von Ministerpräsident Viktor Orbán empfangen. Im Rahmen der EU-Unterstützung für „Herkunftsländer“ der Migrationskrise will Ungarn auf diese Weise eine Nische besetzen. Spezifisch Christen helfen: So kann man sich von der als islamfreundlich kritisierten Flüchtlingspolitik der EU absetzen und dies als Beitrag zur europäischen Solidarität bezeichnen. Ziel ist es, den Menschen zu helfen, dort zu bleiben, wo sie sind.

Die christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten sind durch die Irak- und Syrien-Kriege dramatisch geschrumpft. Auch Ägyptens Kopten leiden unter verstärktem Druck durch Islamisten. Ungarn versucht Sympathiepunkte bei den Betroffenen zu machen, auch jenen, die in Europa Zuflucht gefunden haben.

Das war zu spüren, als der ungarische Vizestaatssekretär, Trisztan Azbej, Anfang Februar zu Gast war bei der koptischen Gemeinde in Graz (es gibt in Österreich etwa 10.000 Kopten). Um den Ungarn zu danken, hat die koptische Kirche im vergangenen Oktober Budapest zum Bischofssitz für Mittelosteuropa erkoren. Ungarns Regierung hofft zwar auf einen Öffentlichkeitseffekt, international wird diese Politik jedoch bisher kaum wahrgenommen. Und innenpolitisch gibt es Komplikationen: „Wir hören Vorwürfe, warum wir in fernen Ländern helfen, wenn es daheim viel Armut gibt“, sagt eine Quelle im Ministerium.

„Visegrád helps“

Nun soll „Hungary helps“ bald umgestaltet werden, als gemeinsames Hilfsprogramm der Visegrád-Länder. „Visegrad helps“ soll das dann heißen, in Kooperation mit Polen, Tschechien und der Slowakei. Das Programm würde so sichtbarer werden und innenpolitisch weniger Angriffsfläche bieten.

Nach Angaben aus dem Ministerium startet demnächst vorerst eine bilaterale Kooperation mit Polen. Bis Oktober will man dann so weit sein, dass „Visegrád helps“ Gestalt annehmen kann. „Wir wollen mittelfristig auch mit Österreich und Kroatien kooperieren “, heißt es in Budapest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2018)

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