Nationalratswahlen - September 2019 Fragen an die politischen Parteien – Antworten der ÖVP
- Welche Ähnlichkeiten bzw. Parallelen sehen Sie zwischen den (von uns vertretenen) Prinzipien der Katholischen Soziallehre (Personalität, Subsidiarität, Solidarität, Gemeinwohl, Nachhaltigkeit) und Ihren politischen Grundüberzeugungen?
Wir verstehen uns als moderne christdemokratisch geprägte Volkspartei. Neben den konservativen und liberalen zählen die christlich-sozialen Wurzeln zum ideengeschichtlichen Fundament unserer Partei. Für uns sind die Prinzipien der Katholischen Soziallehre nicht bloß programmatische Lippenbekenntnisse. Gerade in den letzten eineinhalb Jahren konnten wir einige Maßnahmen umsetzen, die sich wesentlich auf diese Prinzipien stützen. So fußt beispielsweise der Familienbonus auf dem Prinzip der Personalität, da er gezielt eine besondere Gruppe von Leistungsträgern in der Gesellschaft entlastet. Das Ende der Schuldenpolitik wiederum entspricht unserer Vorstellung von Nachhaltigkeit, da dadurch mehr finanzielle Freiheit für unsere Kinder und Enkelkinder geschaffen wird. Und der Pensionsbonus, mit dem wir Mindestpensionen deutlich erhöhen konnten, geht auf das christlich soziale Prinzip der Solidarität zurück; damit wurden gerechte Pensionen für jene ermöglicht, die ihr Leben lang gearbeitet haben.
- Sind Sie bereit, im Rahmen zukünftiger Steuerreformen der Entlastung der Familien mit Kindern, besonders der kinderreichen Familien, eine Priorität einzuräumen, sodass bei der Besteuerung des/der Steuerpflichtigen letztlich für jedes Kind ein angemessenes Existenzminimum steuerfrei bleibt? Planen Sie eine regelmäßige Anpassung der Familienleistungen?
Wir brauchen Rahmenbedingungen, in denen sich insbesondere junge Menschen bewusst für die Familie entscheiden. Niemand soll aus finanziellen Gründen auf Familie und Kinder verzichten müssen. Daher haben wir mit dem Familienbonus, der seit Jänner in Kraft ist, bereits die größte steuerliche Entlastung für Familien geschaffen, die es je in Österreich gegeben hat. Rund 950.000 Familien mit 1,6 Millionen Kindern werden so von einer Steuerlast von bis zu 1,5 Mrd. Euro befreit. Pro Kind und Jahr gibt es eine Entlastung von bis zu 1.500 Euro. Diesen Weg der Entlastung wollen wir auch in Zukunft weitergehen.
- Welche Änderungen beim Pflegegeld und welche anderen gesetzlichen Regelungen wollen Sie dafür vorsehen, dass in Zukunft die häusliche Pflege bzw. Betreuung in der Familie, die in großem Ausmaß geleistet und gewünscht wird, finanzierbar ist?
Derzeit beziehen etwa 460.000 Menschen in Österreich Pflegegeld und etwa 950.000 sind an der Pflege im Familienkreis beteiligt. Wir wollen diesen Menschen die Unterstützung geben, die sie brauchen, und sicherstellen, dass ein Altern in Würde in Österreich möglich ist. Dazu haben wir ein umfassendes Pflegekonzept vorgelegt. Kern unserer Vorhaben ist eine „Pflege daheim“-Garantie. Dazu gehört unter anderem die Weiterentwicklung und Erhöhung des Pflegegeldes mit stärkeren Anreizen für die Pflege daheim. Es soll ein neues System des Pflegegeldes etabliert werden, das auf die Bedürfnisse und die individuelle Situation jeder und jedes Einzelnen in vorgegebenen „Betreuungssettings“ eingeht. Im Pflegegeld Neu soll auch stärker differenziert werden zwischen Pflege- und Betreuungsleistung. Wird die Leistung von einem Angehörigen erbracht, soll es auch die Möglichkeit geben, dass dieser einen Teil des Pflege- und Betreuungsgeldes direkt erhält. Für die nachhaltige Finanzierung der Pflege planen wir die Einführung einer Pflegeversicherung als 5. Säule der Sozialversicherungen. Schließlich müssen pflegende Angehörige insgesamt stärker unterstützt werden, etwa durch ein leistbares flächendeckendes Angebot an Kurzzeitpflege und tageweise mobile Betreuung oder den Anspruch auf Pflegekarenz, auch wenn man nicht im gemeinsamen Haushalt lebt.
- Welche Lösungen schlagen Sie zur Entschärfung der Pensionsproblematik und des damit möglichen Generationenkonflikts vor? Wie stehen Sie zur Frage einer den Leistungen bei der Kindererziehung angemessenen Anrechenbarkeit von Kindererziehungszeiten auf die Pensionszeiten der Eltern?
Jemand, der sein Leben lang hart gearbeitet hat, soll auch im Alter finanziell abgesichert sein. Daher haben wir in der letzten Regierung den Pensionsbonus eingeführt, mit dem wir die Mindestpension für Menschen mit 30 und 40 Beitragsjahren um bis zu 200 Euro pro Monat anheben konnten. Außerdem wurde in der letzten Nationalratssitzung vor dem Sommer die Anrechnung der Karenzzeiten von bis zu 24 Monaten auf die Pension von uns beschlossen. Damit Pensionen auch in Zukunft sicher sind, braucht es eine Angleichung des tatsächlichen an das gesetzliche Pensionsantrittsalter, die Schaffung gezielter Anreize für längeres Arbeiten und die Abschaffung nach wie vor vorhandener Sonderpensionsprivilegien.
- Sind Sie bereit, in der nächsten Legislaturperiode einen Schwerpunkt auf den Beitrag Österreichs zur Bewältigung der Klimakrise zu legen? Welche konkreten Einzelmaß- nahmen planen Sie für die nächste Zeit, um die „Sorge für unser gemeinsames Haus“ (Papst Franziskus) in die Tat umzusetzen?
Unsere größten Errungenschaften bringen uns wenig, wenn wir gleichzeitig unseren Planeten und unsere Umwelt zerstören. Das ist eine der größten Herausforderungen unserer Generation. Unser Ziel ist daher, dass Österreich bis 2045 CO2 neutral wird, ganz ohne Atomenergie. Das Modell, das wir zur Erreichung dieses Ziels zu Grunde legen, ist jenes der ökosozialen Marktwirtschaft. Für uns sind Klima- und Umweltschutz, soziale Verantwortung und wirtschaftliches Wachstum keine Widersprüche, sondern stärken einander. Daher setzen wir nicht auf neue Verbote oder Belastungen, sondern auf positive Anreize und klimafreundliche Innovation. So wollen wir Österreich zur Wasserstoffnation Nummer 1 weltweit machen und werden 500 Millionen Euro in die diesbezügliche Forschung investieren. Wir wollen 100% Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 und reduzieren den CO2 Ausstoß vor allem bei Verkehr und Gebäuden.
- Unterstützen Sie die schon seit langem geforderte und grundsätzlich beschlossene Einführung eines obligatorischen Ethikunterrichtes an den Oberstufen der Sekundarschulen und, aufbauend auf Schulversuchen, auch in den Schulen der 10-14- Jährigen für die Schüler/innen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen?
Ja, wir stehen zu unserer langjährigen Forderung eines Ethikunterrichts als Pflichtfach für alle, die sich vom konfessionellen Religionsunterricht abgemeldet haben oder ohne Religionsbekenntnis sind. Dieses Projekt haben wir bereits in der letzten Regierung auf den Weg gebracht und wollen wir nun auch in die Umsetzung bringen. Ziel des Ethikunterrichts ist es, ein gemeinsames ethisches Fundament zu schaffen, auf dessen Basis ein respektvoller und toleranter Umgang miteinander möglich ist. Er soll eine Plattform für Diskussionen zu aktuellen Fragen schaffen und jungen Menschen die Grundlagen ethischen und moralischen Handelns näherbringen. Der konfessionelle Religionsunterricht steht dabei außer Diskussion und soll jedenfalls erhalten bleiben.
- Planen Sie einerseits neue Maßnahmen zur schulischen und außerschulischen Begabtenförderung? Werden Sie andererseits die Finanzierung von Stütz- und Zweitlehrer/inne/n und anderer Fördermaßnahmen für besonderen Förderbedarf sichern (für Kinder mit Behinderungen, aber auch für Kinder mit zu geringen Deutschkenntnissen und allgemeinen Bildungsrückständen)?
Die Förderung von Begabungen und Talenten sowie die zielorientierte Förderung für Kinder mit Unterstützungsbedarf in der Sprache oder aufgrund einer Lernschwäche oder Behinderung ist ein zentrales Thema unserer Bildungspolitik. Uns ist es ein Anliegen jedes Kind individuell zu fördern und passgenaue Maßnahmen zu entwickeln. Erste Schritte wurden beispielsweise bereits durch die Einführung der Deutschförderklassen und durch frühe sprachliche Förderung im Kindergarten geschaffen. Diesen Weg wollen wir weitergehen. Auch die Begabungs- und Talenteförderung wollen wir flächendeckend etablieren. Sie soll fixer Bestandteil der schulischen Lehrpläne und der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern werden. Auch hier wurden in der letzten Bundesregierung bereits notwendige Weichenstellungen vorgenommen.
- Welche Maßnahmen sehen Sie vor, um die Zahl der Abtreibungen zu senken? Welche Pläne haben Sie, um die längst zugesagte jährliche und regelmäßige statistische Erhebung der vollzogenen Abtreibungen durchzusetzen?
Als Volkspartei haben wir eine uneingeschränkte Achtung vor dem menschlichen Leben – dem geborenen und dem ungeborenen. Wir vertreten daher die Position, dass Politik und Gesellschaft jene Bedingungen zu schaffen haben, die Mut zum Kind machen und so Abtreibungen vorbeugen. Wir wollen daher Maßnahmen unterstützen, mit denen werdenden Eltern in Konfliktsituationen bestmögliche Beratung und Hilfestellung geboten wird. Diese Unterstützungsangebote sollen auf Basis statistischer Erhebungen weiter ausgebaut und verbessert werden. Wir unterstützen daher eine umfassende anonymisierte Statistik zu Schwangerschaftsabbrüchen und werden diese weiterhin einfordern.
- Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um sicherzustellen, dass behinderte Menschen in jedem Stadium ihrer Existenz, also auch der vorgeburtlichen, dieselbe Anerkennung ihrer Würde und des damit verbundenen Rechtsschutzes erfahren wie Nicht- Behinderte? Was werden Sie tun, damit der Unterhalt und die Betreuung eines behinderten Kindes für die Eltern erleichtert werden?
Als Volkspartei stehen wir dafür ein, die Würde eines jeden Menschen uneingeschränkt zu achten und zu schützen. Menschen mit Behinderungen sind eine Bereicherung für die Gesellschaft und müssen auch dementsprechend an ihr teilhaben können. Die bestmögliche Beratung und Hilfestellung, die wir werdenden Eltern zur Verfügung stellen wollen, gilt ganz besonders in Fällen geistig oder körperlich behinderter Kinder. Die Möglichkeit, Kinder mit einer Beeinträchtigung auch außerhalb der geltenden Fristenregelung bis zur Geburt abtreiben zu können, ist sehr kritisch zu hinterfragen. Wir setzen uns vielmehr dafür ein, dass Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen jene Unterstützung erhalten, die ihren speziellen Bedürfnissen am besten gerecht wird. Dabei stehen für uns vor allem die Familienberatungsstellen im Mittelpunkt, denn dort werden Familien mit behinderten Kindern kompetent und unkompliziert beraten und unterstützt. Zudem braucht es einen Bürokratieabbau in diesem Bereich. Zusätzlich setzen wir uns auch weiterhin dafür ein, dass die dringend benötigte finanzielle Unterstützung wie beispielsweise die erhöhte Familienbeihilfe auch dort ankommt, wo sie gebraucht wird.
- Unterstützen Sie die Verhinderung von Euthanasie, sei es bei Behinderten wie bei alten Menschen?
Wir bekennen uns zur Würde jedes Menschen am Ende des Lebens und lehnen Sterbehilfe entschieden ab. Niemand darf am Ende seines Lebens allein gelassen werden. Dies bedeutet für uns, ein Klima der Mitmenschlichkeit zu fördern und insbesondere die Hospiz- und Palliativversorgung flächendeckend auszubauen. In unserem umfassenden Pflegekonzept sehen wir unter anderem die Überführung von Palliativpflege und Hospiz in die Regelfinanzierung, einen stärkeren Ausbau von Palliativ-Abteilungen in stationären Einrichtungen sowie eine österreichweite Versorgungsplanung für Hospiz- und Palliativbetreuung vor.
- Sind Sie bereit, bei der Behandlung von Fragen über Flüchtlinge und Migranten eine umfassende und nicht von Angst und Animosität dominierte Politik zu vertreten, die vor allem die folgenden Anliegen beinhaltet: - Die rechtsstaatlichen Regelungen (Verhinderung illegaler Einreise, dem EU-Recht entsprechende Registrierung der Flüchtlinge u. ä.) müssen eingehalten werden.
- Nicht gestaltete Migration kann besonders durch die kulturellreligiösen Spannungen immer auch Auslöser für gesellschaftliche Konflikte sein.- Allen sollte bewusst sein, dass für alle, die in Österreich bleiben wollen und dürfen, die für eine Integration wichtigen Voraussetzungen angeboten, aber auch angenommen werden müssen (z. B. Deutschkurse, Schulbesuch, Berufsbildungs-, Wohn-, Arbeitsmöglichkeiten u. ä.).
- Für Asylwerber, deren Asylansuchen läuft, sollen Länder und Gemeinden verstärkt von der Möglichkeit Gebrauch machen, gemeinnützige Tätigkeiten anzubieten.- Die Abwicklung von Asylverfahren sollte weiterhin deutlich beschleunigt werden.- Auf EU-Ebene muss intensiv an einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik gearbeitet werden. Dabei muss auch die Mitwirkung jener Mitgliedstaaten erreicht werden, die nicht angestrebtes Ziel der Asylwerber und Wirtschaftsmigranten sind.
- Die wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung der Unterbringung von Flüchtlingen in deren eigenem Land und in den Nachbarländern von Krisenländern ist vorrangig und sollte weltweit ausgebaut werden. Das eigene Engagement dieser Länder sollte deutlich intensiviert werden. Im Bereich der Migration, der in der Öffentlichkeit oft emotionell diskutiert werden, ist es wesentlich, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit einzuhalten. So darf es etwa keine Vermischung zwischen Asyl und Migration geben. Asyl ist nicht Zuwanderung, hier sind völlig unterschiedliche Rechtsgrundlagen vorhanden. Zudem ist weiterhin konsequent gegen illegale Migration vorzugehen. Wir müssen selbst das Recht haben zu entscheiden, wer und wie viele Personen dauerhaft zu uns kommen. Denn wenn wir die Kontrolle über unsere Grenzen verlieren, stellt das nicht nur ein Sicherheitsrisiko dar, es gefährdet durch die kulturell-religiösen Spannungen auch den sozialen Zusammenhalt und untergräbt das Vertrauen in den Staat. Gleichzeitig müssen wir uns um jene Menschen kümmern, die bereits in Österreich sind und ein langfristiges Aufenthaltsrecht haben. Denn nur wer unsere Sprache lernt, eine Ausbildung schafft und am Arbeitsmarkt Fuß fasst, hat dauerhaft eine Chance, seinen Weg in Österreich zu machen. Österreich ist eine solidarische Gesellschaft. Nur wenn jeder seinen Beitrag leistet, kann unser Gemeinwesen auf Dauer Bestand haben. Der Staat muss dafür den Rahmen schaffen, die notwendigen Angebote machen und helfen, wo sich der Einzelne nicht selbst helfen kann. Die Chancen ergreifen, die Angebote nutzen, eigenen Wohlstand erarbeiten und sich eine Zukunft aufbauen – das müssen die Menschen in unserem Land aber selbst. Deshalb gilt auch für alle, die neu nach Österreich kommen: Integration durch Leistung. Um Asylwerbern einen strukturierten Tagesablauf zu ermöglichen, dürfen Länder und Gemeinden ihnen bereits jetzt gemeinnützige Tätigkeiten anbieten. Von dieser Möglichkeit sollen sie auch in Zukunft aktiv Gebrauch machen. Abgesehen davon ist es wesentlich, dass die Abwicklung von Asylverfahren weiter deutlich beschleunigt wird. Gerade im Bereich Asyl können wir nachhaltige Lösungen besser auf europäische Ebene umsetzen. Hier wurde im vergangenen Jahr eine wichtige Trendwende geschafft: Kern der Debatte um eine europäische Migrationspolitik ist nun der konsequente Schutz der europäischen Außengrenzen als Voraussetzung für offene Binnengrenzen. Das muss auch weiterhin so bleiben. Zudem setzen wir uns für eine Reform des Europäischen Asylsystems ein, die zum Ziel hat, den unkontrollierten Weiterzug von Migranten in Europa zu verhindern und Schlepperei und Menschenhandel konsequent zu bekämpfen. Wer illegale Migranten einfach durchwinkt, das Dublin-Abkommen aushebelt oder nicht gegen Schlepperei vorgeht, soll Strafen zahlen müssen. Denn die Sicherheit Europas geht uns alle an und es kann nicht sein, dass sich manche Länder in Europa auf Kosten der anderen nicht an die Regeln halten. Darüber hinaus gilt es weitere Rückführungsabkommen abzuschließen. Gleichzeitig müssen wir daran arbeiten, die Fluchtursachen wirksam zu bekämpfen. Wir wollen die Hilfe vor Ort stärken, um den Menschen in ihren Heimatländern Perspektiven zu geben. Mit Afrika wollen wir eine neue Partnerschaft beginnen, in deren Zentrum eine wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe und die Förderung nachhaltiger Entwicklung stehen müssen. Auch die Unterstützung der Unterbringung von Flüchtlingen in deren Heimatregionen muss weltweit ausgebaut werden. Das ist wirtschaftlicher und vor allem auch im Sinne der Betroffenen selbst, die in der Nähe ihrer Heimat bleiben möchten und sich oft die teure Reise nach Europa nicht leisten können.